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creatalksJuli 2023

Bleib agil (2): Das richtige Mindset für Agilität

Agile Prozesse sind mehr als ein Buzzword: Agilität heißt eigenverantwortliche Teams, kurze Entscheidungswege und schnelle Anpassungsfähigkeit. Aber: Das passt nicht zu allen Unternehmen.

Mit: Bernd Kollmann

In der aktuellen creatale Folge erzählt uns Bernd Kollmann, Coach und Trainer bei verRückte impulse, für wen sich Agilität lohnt – und wann man es lieber sein lassen sollte. Wichtig ist, das richtige Mindset zu haben.

Agilität ist kein Allzweckmittel

Marius Leuschner (Marketing-Manager, creatale): Hallo Bernd! Und willkommen zu Teil 2 unseres creatalks Gesprächs.

Bernd Kollmann (Business-Coach & Gründer, verRückte impulse): Hi!

Marius: Du hast am Ende unseres letzten Gesprächs einen ganz interessanten Vergleich gezogen: Aus einem trägen Containerschiff wird kein Schnellboot, bloß weil man es „agil“ nennt. Kannst Du das näher erklären?

„Agilität kann man nicht herbeireden, eine ‚Das muss so!‘-Einstellung bringt niemanden weiter.“
– Bernd Kollmann

Bernd: Das Schiffs-Beispiel kann man auf zwei Weisen verstehen: Ich habe vielen Kunden, die als schwerfälliges Containerschiff beginnen, die aber dann Schritt für Schritt agile Prozesse implementieren und ihr Unternehmen oder Teile davon in kleine Schnellboote umbauen. Das bedeutet aber eine Menge Arbeit und erfordert ein Umdenken von der Führungsebene bis zu den Azubis. Wenn das Investment erfolgreich durchgeführt wird, ist das ein Riesenvorteil für das Unternehmen. Manchmal bleibt ein Containerschiff aber einfach ein Containerschiff. Und das ist gut so. Das heißt: Bei manchen Unternehmen, die ich begleite, stellen wir einfach fest: Agilität passt nicht zu euch. Diesen Unternehmen kann ich anders helfen, aber mit reiner Agilität kommen wir nicht weiter.

Marius: Woran liegt das?

Bernd: Ursprünglich hat sich agiles Arbeiten in der IT entwickelt. Da hat sich das schnell durchgesetzt und die Leute haben daraufhin versucht, Agilität auf die allgemeine Wirtschaft zu übertragen. Das hat oft überhaupt nicht funktioniert. Manchmal ist das Arbeiten in der IT einfach zu weit weg von der Arbeitsweise eines Unternehmens oder einer Abteilung. Agilität kann man nicht herbeireden, eine „Das muss so!“-Einstellung bringt niemanden weiter.

Marius: Was wäre denn eine Branche, zu der agiles Arbeiten überhaupt nicht passt?

Bernd: Einer ganzen Branche will ich das gar nicht absprechen. Das kommt aufs individuelle Unternehmen an. Es gibt aber auf jeden Fall Abteilungen, zu denen Agilität meiner Meinung nach nicht passt. Eine agile Buchhaltung zum Beispiel, das wäre eine komplett falsch investierte Erwartungshaltung.

Marius: Und was, wenn Dein Kunde nun gerade seine Buchhaltung umstrukturieren will?

Bernd: Man kann seine Prozesse auch mit anderen Methoden optimieren. Wenn der Kunde sich trotzdem für Agilität begeistert, schauen wir uns Teile daraus ab, agile Methoden, die man für diesen Einsatzzweck modifizieren kann. Außerdem gibt es höchstwahrscheinlich andere Abteilungen, in denen sich agile Prozesse viel besser integrieren lassen.

Es gibt auch Alternativen

Marius: Wie findest Du heraus, ob sich Agilität für ein Unternehmen lohnt?

Bernd: Das lote ich schon ab dem ersten Beratungsgespräch aus. Die Geschäftsführung hat meistens schon eine Vorstellung davon, wo sie Agilität einsetzen will. Dann machen wir eine Ist-Analyse: Ist die Firma groß und eher schwerfällig – wie ein Containerschiff – oder klein und wendig wie ein Schnellboot? Wie gesagt, schwerfällig schließt Agilität nicht aus, aber das ändert natürlich das Vorgehen, den wirtschaftlichen Invest und den Zeitplan.

Marius: Verstehe. Und dann?

Bernd: Wir überlegen uns, wo wir ansetzen können. Gibt es bestimmte Teams, die man als Pilotprojekte agil machen könnte? Wenn es möglich ist, führe ich auch schon Vorabgespräche mit den Verantwortlichen aus den Teams.

Marius: Was sagst Du dem Kunden, wenn Du nach der Analyse schon siehst: Das wird nix?

Bernd: Ich sage dann meistens, was ich hinter dem Wunsch nach Agilität eigentlich sehe: nämlich, sehr häufig, den Wunsch nach Prozessoptimierung, Flexibilität, Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit oder Kundenorientierung. Dafür gibt es, wie gesagt, ganz verschiedene Ansätze. Manche sind einfach weniger radikal im Mindset und dem Eingriff in die Unternehmenskultur und das passt zu diesen Unternehmen deutlich besser.

So gelingt der Change-Prozess

Marius: Was sind denn die Eigenschaften, die zum Beispiel eine Geschäftsführerin mitbringen sollte, damit das mit der agilen Integration klappt?

Bernd: Die Führungskraft muss bereit sein, nicht nur Prozesse in ihrem Unternehmen zu ändern, sondern auch sich selbst. Deshalb schaffe ich von Anfang an ein Verständnis dafür, was Agilität eigentlich bedeutet. Ein ganz wichtiges Thema ist Vertrauen. Ich muss meinen Mitarbeitern zutrauen, allein Entscheidungen zu treffen und zum Beispiel auch kleine oder große Budgets zu verwalten. Agiles Arbeiten steht und fällt aber nicht nur mit den Führungskräften.

Marius: Was müssen die Mitarbeiter mitbringen?

„Die Leute arbeiten selbstständig und interdisziplinär, sie werden offener. Die unterschiedlichen Typen lernen, miteinander umzugehen.“
– Bernd Kollmann

Bernd: Sie brauchen erstmal, genau wie ihre Führungskraft, Mut und Motivation, an etwas Neuem mitzuwirken. Alle Beteiligten müssen sich außerdem ihrer Funktion und ihrer Verantwortung in einem agilen Team bewusst sein. Sie werden ihr Mindset anpassen müssen. Der eine darf loslassen und den anderen mehr vertrauen, die andere darf mehr übernehmen. Agilität ist nicht nur ein schöner Gedanke. Es ist eine klare Einstellung. Wir sprechen hier über ein professionelles Umfeld und eine durchaus radikal andere Arbeitsweise. Was viele zuerst nicht erwarten: Die Regeln werden eher strenger und der Workload kann zu Beginn deutlich größer sein. Je autonomer das Team arbeitet, desto mehr Verantwortung trägt auch jeder einzelne Mitarbeiter.

Marius: Das klingt erstmal nach einer riesigen Umstellung. Erlebst du von den Mitarbeitern da nicht auch viel Widerstand?

Bernd: Nicht alle sind gleich offen, aber es gibt eine Menge Methoden, Agilität spielerisch einzuführen und den Leuten zu zeigen, dass sie das Zeug dazu haben. Außerdem hat agiles Arbeiten auch jede Menge Vorzüge, über die sprechen wir auch. Die Leute arbeiten selbstständig und interdisziplinär, sie werden offener. Die unterschiedlichen Typen lernen, miteinander umzugehen. Für das Team ist das ein riesiger Win. Es gibt vielleicht die Person, die immer sagt: „Nö, das ist viel zu teuer“ und die, die zu viel Fantasie und jeden Tag neue Ideen hat. Aber irgendwann muss sich die sparsam denkende Person überzeugen lassen und die Fantasten müssen sich auf eine Sache konzentrieren können. Wenn jedes Teammitglied seine Stärken einbringt und sein eigenes Ego etwas zurücksteckt, wird dabei etwas richtig Gutes entstehen.

Marius: Das liegt bestimmt nicht jedem.

Bernd: Ja, das ist korrekt. Eine Umstellung auf Agilität geht häufig auch mit den einen oder anderen personellen Veränderungen einher. Da werden Teams neu zusammengewürfelt und es gibt auch Abteilungen, die man erstmal in ihrer klassischen Struktur belässt, weil es dem Personal mehr liegt. Es gibt aber auch Personen, die es vorziehen, außerhalb der agilen Welt ihre Stärken einzubringen und das Unternehmen verlassen.

Marius: Vielleicht noch ein kleines Fazit zum Abschluss: Von was hängt die erfolgreiche Implementierung von Agilität am meisten ab?

Bernd: Wir brauchen zum einen ein klares Commitment der Geschäftsleitung, eine klare Vision, einen klaren Sinn oder Nutzen der Veränderungen und die absolute Bereitschaft, die Mitarbeitenden einzubinden. Ab der ersten Sekunde, in kleinen Schritten. Zum anderen ist die Vorbereitung und neutrale Begleitung entscheidend, dafür gibt’s uns Coaches. So können wir sichergehen, dass alle Beteiligten wissen, auf was sie sich einlassen und was von ihnen verlangt wird. So steuern alle dasselbe Ziel an.

Marius: Danke dir für das spannende Gespräch!

Bernd: Sehr gern.

Das Wichtigste

  • Agilität passt nicht zu jedem: Manchmal ist die Führungseben nicht bereit für tiefgreifende Veränderungen – aber es gibt auch andere Möglichkeiten zur Prozessoptimierung.
  • Vorbereitung ist das A und O: Agile Coaches helfen Mitarbeitern und Geschäftsführerinnen, Vertrauen zu lernen und selbstständig Entscheidungen zu treffen.
  • Damit der Change-Prozess gelingt, muss die Geschäftsleitung voll und ganz von der agilen Arbeitsweise überzeugt sein.
Schlagwörter: Positionierung, Unternehmertum, Interview, Zielgruppe
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